Patientin: Schule
Diagnose: Autismus-Teilhabe-Störung
Für autistische Menschen ist es noch immer nicht selbstverständlich, an Bildung teilhaben zu können.
Die australische Forscherin Rozanna Lilley (Macquarie University, Sydney) attestierte dem australischen Schulsystem 2014 aufgrund der Erfahrungen von autistischen Schüler:innen eine „Autism Inclusion Disorder“.
Wie sieht es im deutschen Bildungssystem aus? Es fehlen empirische Daten, doch die Rückmeldungen zu meiner Petition „Autismus muss ein eigenständiger sonderpädagogischer Förderschwerpunkt werden!“, die Berichte über die Schulsituation von autistischen Kindern und Jugendlichen sowie die zwei Umfragen von autismus Deutschland (2016, 2019) lassen nur eine Diagnose zu: Auch das deutsche Bildungssystem leidet unter einer Autismus-Teilhabe-Störung!
Natürlich gibt es auch Beispiele, in denen es Schulen gut gelingt, eine für autistische Schüler:innen adäquate Lernumgebung zu gestalten. Sehr engagierte und empathische Lehrkräfte setzen sich mit hohem Einsatz für ihre autistischen Schüler:innen ein und machen dies so möglich. Doch gibt es diese flächendeckend in ganz Deutschland und so zahlreich, dass die Diagnose „Autismus Teilhabe Störung“ ungerechtfertigt wäre? Nein.
Ich habe bewusst nicht den Begriff der ‚Inklusion‘ gewählt, weil dieser leider schon sehr abgenutzt ist und die Umsetzung der Inklusion in den Schulen mitunter (zu oft) so umgesetzt wird, dass autistische Schüler:innen keinen Zugang zu Bildung erhalten. Deshalb der Begriff der ‚Teilhabe‘. Er lässt auch offen, wie diese Teilhabe ermöglicht werden kann. Es gibt nicht nur den einen Weg. Für jeden autistischen Menschen muss der individuell beste Weg gefunden werden.
Quellen:
Czwerwenka, S. (2017): Umfrage von autismus Deutschland e.V. zur schulischen Situation von Kindern und Jugendlichen mit Autismus. In: autismus 83, S. 42-48.
Grummt, Marik; Lindmeier, Christian; Semmler, Romy (2021): Die Beschulungssituation autistischer Schüler:innen vor der Pandemie. In: autismus 92, S. 5-17.
Rozanna Lilley (2015): Trading places: Autism Inclusion Disorder and school change. In: International Journal of Inclusive Education 19:4, S. 379-396. DOI: 10.1080/13603116.2014.935813
Liebe Stephanie,
Ich bin Mutter eines AspiGirl und habe dich und deinen Podcast erst jetzt entdeckt. Dadurch bin ich dann auf dein Buch „autistisch-kann ich fließend“ gestoßen. Ich bin dir sooo dankbar, dass du dieses Buch geschrieben hast, denn es bringt für mich einfach alles zusammen und sehr verständlich rüber. Auch meine Tochter hat schon einige Seiten gelesen, als sie kurz hier war und hat rüchgemeldet, dass sie sich da in vielen Dingen wiederfindet. Sie wurde erst mit 20 Jahren diagnostiziert und war zuerst garnicht begeistert, als ich ihr sehr vorsichtig von meinem Verdacht auf AspiGirl erzählte. Ich hatte damals mehrere Bücher gelesen (u.a. von Dr Preißmann) und ihr die dann weitergegeben. Inzwischen setzt sie sich auch sehr mit sich selbst auseinander, es kommt mir manchmal so vor, als würde sie ihnen sehr ähnlich sein.
Vielen, vielen lieben Dank für Ihre Arbeit, die ganz vielen Menschen hilft!
Liebe Grüße aus Berlin von
Sabine Steinhoff