Die Petition ist von autistischen Menschen selbst, von Familienangehörigen, v.a. Eltern, autistischer Kinder, von Lehrer:innen der Regelschule sowie der Förderschule, von Erzieher:innen sowie von Therapeut:innen verschiedener Fachrichtungen unterschrieben worden. In den Kommentaren begründen sie, warum sie die Petition unterzeichnet haben. So vielseitig die Blickwinkel auch sind, aus denen auf die schulische Situation von autistischen Kindern und Jugendlichen geschaut wird, sie zeichnen zusammen ein erstaunlich einheitliches Bild, das mit Worten wie „Not“, „Horror“, „Hölle“, „Mobbing“, „Ausgrenzung“, „Qualen“, „Leiden“, „Kampf“, „zerrieben“, „Spießrutenlauf“, „Zumutung“, „Ratlosigkeit“, „Überforderung“, „Ängste“, „Panikattacken“, „Depressionen“, „Stress“ oder „grausam“ umschrieben wird:
Autistische Schüler:innen benötigen eine andere Unterstützung und Förderung:
- sie denken anders
- sie fühlen anders
- sie kommunizieren anders
- sie nehmen ihre Umwelt anders wahr
- sie verarbeiten Informationen anders
- sie lernen anders
Folgen der fehlenden bzw. falschen Unterstützung:
- autistische Schüler:innen können ihr Potenzial nicht zeigen
- die Gesellschaft verschenkt unheimlich viel Potenzial
Herausforderung im Schulalltag für autistische Schüler:innen:
- Reizüberflutung
- Geräusche
- mehr als 20 Schüler:innen um sie herum
- ständig wechselnde Lehrer:innen
- Fächerwechsel im 45-Minuten-Takt
- Mobbing, auch durch Lehrkräfte
- körperliche Bedrohungen durch Mitschüler:innen
Folgen:
- Verzweiflung
- Flucht aus der Situation
- Panikattacken
- Zusammenbrüche: Shutdown (in sich zurückziehen) oder Meltdown (ähnelt einem Wutausbruch, ist aber kein Wutausbruch!)
- Depressionen
- Maskieren
- Schulverweigerung
Notwendige Hilfen, die möglich sind, aber oftmals verwehrt werden:
- ernst genommen werden!!!
- individueller Nachteilsausgleich
- Ruheraum
- Schulbegleiter:in
Es gibt keine passende Schule:
- autistische Kinder passen nicht in das bestehende Schulsystem
- keine Schule passt
- immer wieder Schulwechsel
- keine Chance im gegenwärtigen Schulsystem, da es nicht auf die autistischen Bedürfnisse eingeht
- bei Verhaltensauffälligkeiten werden autistische Schüler:innen auf Förderschulen mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung verwiesen, aber das passt nicht
Förderschulen sind nicht die Lösung:
- die Förderschwerpunkte passen nicht
- Autist:innen sind nicht von jedem Förderschwerpunkt ein bisschen
- Förderschulen werden den autistischen Bedürfnissen nicht gerecht
Alternative Beschulungsformen, die sich die Beteiligten wünschen:
- Webschule
- hybrides Lernen aus flexiblem Lernen in der Schule und im Homeschooling
Situation der Schulen bzw. Lehrkräfte:
- häufiges Vorurteil gegenüber Eltern: die Probleme resultierten aus einer fehlenden Erziehung
- wenig Wissen über Autismus
- oftmals falsches Wissen über Autismus durch ein überholtes traditionelles Bild von Autismus, das auch in Fortbildungen weitergegeben wird
- sehr großer Bedarf an Fortbildung
- einmalige Fortbildungen reichen nicht aus für ein vertieftes Verständnis von Autismus
- auch die Ausbildung als Sonderpädagin/Sonderpädagoge vermittelt nicht das notwendige Wissen über Autismus
Folgen:
- ÜBERFORDERUNG!!
- Ratlosigkeit
- fehlendes Verständnis für autistische Schüler:innen und ihre Bedürfnisse
- autistische Schüler:innen werden falsch behandelt
- autistische Schüler:innen werden nicht gesehen
- autistische Schüler:innen werden verurteilt: sie müssen sich quälen, sich anpassen, ohne die notwendige Unterstützung zu erhalten, ihnen wird vermittelt, dass sie nicht normal sind, dass mit ihnen etwas nicht stimmt
- die Verantwortung für die autistischen Schüler:innen wird an die Therapie abgegeben, aber: Therapeut:innen beklagen, dass die Ansätze in der Schule dann nicht umgesetzt werden
- auch die Lehrer:innen brauchen veränderte Rahmenbedingungen: sie sehen die Not und beklagen, dass sie nicht über die Ressourcen verfügen, ihre autistischen Schüler:innen richtig unterstützen zu können
Die notwendige Unterstützung für autistische Schüler:innen wird zum Lotteriespiel:
- die Unterstützung für autistische Schüler:innen hängt vom Glück ab, auf engagierte Lehrer:innen zu treffen
- Eltern müssen um Unterstützung kämpfen, betteln
- Eltern müssen beharrlich bleiben
- Eltern müssen sich gut im Schulrecht auskennen
- Eltern benötigen sehr viel Energie für den Kampf um die notwendige Unterstützung ihrer autistischen Kinder
- Eltern werden selten von der Schule ins Boot geholt
- zuständige Ämter genehmigen oftmals die notwendigen Unterstützungen nicht
Die Forderung eines eigenständigen sonderpädagogischen Förderschwerpunkts Autismus leitet sich ab aus:
- dem Recht auf Bildung
- dem Recht auf eine adäquate Förderung
- dem Recht auf gleiche Chancen im Bildungssystem
- dem Recht auf Teilhabe
- dem Recht auf die Integration in die Gesellschaft
- dem Recht auf ein möglichst eigenständiges Leben durch Schul- und Ausbildung
Die (katastrophale) schulische Situation von autistischen Schüler:innen ist hervorragend dargestellt.
Besser kann man es nicht beschreiben.
Leider hat sich in Zeiten der Inklusion für Autist:innen noch nichts verbessert: sie fallen durchs Raster und passen nach wie vor nirgendwo rein.
Liebe Frau Meer-Walter.
Treffender hätten sie die Situation autistischer Menschen im Schulkontext nicht beschreiben können.
Ich bin als Schulbegleiter/Coach an einem Gymnasium in BW im Einsatz. Dort arbeite ich mit sechs autistischen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Selbst an dieser einen Schule sind die Bedingungen für die betroffenen SuS sehr unterschiedliche und mindestens abhängig von den Lehrpersonen, den Unterrichtsräumen, den MitschülerInnen, etc..
Die Informationen, die sie auf ihrer Website veröffentlichen, empfinde ich als sehr hilfreich: Sie formulieren sehr klar, was meine SuS und ich in unserem schulischen Umfeld täglich erleben.
Mit freundlichen Grüßen
DerSchulbegleiter